Matsubayashi Ryu und Shotokan
Welche Verwandschaften gibt es zwischen den verschiedenen Karate Stilrichtungen am Beispiel des Shotokan und dem Matsubayashi Ryu?
Was kann für mich als Shotokaner am Matsubayashi Ryu interessant sein?
Wo sind liegen Unterschiede und welchen Gemeinsamkeiten gibt es zwischen Shotokan und Matsubayasi Ryu?
Verwandtschaft?
Ja, eine nähere Verwandtschaft besteht zwischen dem Shotokan und dem Matsubayashi Ryu, was man signifikant in den Überschneidungen der Kata, die in diesen beiden Stilen trainiert werden wahrnehmen kann.
Sicher ist, beide Karate Stilrichtungen haben, wie viele weitere Schulen ebenfalls, auf Okinawa (einer Inselkette im Süden der japanischen Hauptinsel) ihre Wurzeln, aber dazu später mehr.
Wie verwandt sind die beiden Stile also?
Die Geschichte des Matsubayashi Ryu beginnt mit dem Gründer Nagamine Shoshin, während Shotokan allgemein Funakoshi Gichin zugeschrieben wird. Beide Meister stammen aus Okinawa.
Beide Meister sind auf Okinawa geboren und haben auch hier ihre Wurzeln im Erlernen des Karate.
Funakoshi Gichin hatte jedoch nie vor einen Stil zu begründen. Seine bemerkenswerte Leistung war, das Okinawa Karate, in etwa zeitgleich mit Motobu Choki (zu dem kommen wir später nochmal), auf die Japanischen Hauptinseln bekannt zu machen. Während die Geschichte von Shotokan etwas früher um 1936 beginnt und dann maßgeblich die Entwicklung und Verbreitung in der Internationalisierung des Karate liegt, begann Matsubayashi Ryu formal erst 1947 unter diesem Namen zu existieren.
Matsubayashi Ryu hat seine Heimat in Okinawa behalten. Über die aus den USA auf Okinawa stationierten Soldaten, welche das Matsubayashi Ryu (neben anderen Stilen) dort trainiert hatten und immer noch trainieren, fand der Stil eine erste größere Verbreitung in Nordamerika.
Hierdurch begründet ist die Verbreitung in Nordamerika, stärker im Moment als in Europa, zu erklären.
Werfen wir einen Blick auf die Lehrer der Begründer.
Funakoshi Gichin nannte als seine wichtigsten Lehrer und Meister Asato Anko und Itosu Anko. Beide, eben genannten, waren Schüler von Matsumura Sokon. Matsumura Sokon wird stilistisch als besonders wichtig für die Familie der Shuri-Te Stilrichtungen genannt.
Des weiteren hat Funakoshi Gichin auch bei Lehrern und Meistern des Shorei Ryu (Naha-Te) gelernt. Alle genannten sind Hauptsilrichtungen Okinawas.
Nagamine Shoshin nannte als seine wichtigsten Lehrer und Meister Arakaki Ankichi, Kyan Chotoku und Motobu Choki. Ebenfalls erwähnte er unter Iha Kodatsu trainiert zu haben.
Neben ihm waren Motobu Choki und Kyan Chotoku Schüler eines der wichtigsten Vertreters des Tomari-Te: Matsumora Kosaku. Die letzten beiden waren dann auch noch weiter Schüler von Matsumura Sokon. Motobu Choki hat, ebenfalls wie Funakoshi Gichin, von Itosu Anko gelernt.
Wir finden also in der Herkunftslinie beider Stilrichtungen Berührungspunkte.
Ein wenig bei Itosu Anko, aber vor allen bei Matsumura Sokon.
Matsubayashi ist Japanisch und man kann die Schriftzeichen ebenfalls Shorin und auch Shaolin lesen. Daher wird der Stil allgemein auch als teils nur Shorin Ryu bezeichnet.
Es gibt allerdings diverse Shorin Stile. Weshalb man differenziert und mit der Aussprache als Matsubayashi Ryu auf diese Schule eingeht.
Weiterentwicklung
Es ist kein Geheimnis, dass Funakoshi Gichin sein Karate angepasst hat um ihm in Japan als japanische Kampfkunst die grösst-mögliche Akzeptanz zu verschaffen.
Sichtbar ist dies bei den Namen der Kata. Pinan wurden zu Heian, Naihanchi zu Tekki, Kushanku zu Kanku Dai, Wanshu zu Enpi und Rohai zu Meikyo, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Zudem war Funakoshi Gichin überzeugt, dass Karate primär der Entwicklung der Persönlichkeit dienen sollte. Für ihn stand die Entwicklung der Kampffähigkeit nicht so stark im Vordergrund.
Funakoshi Gichin verbreitete sein Karate an mehreren Universitäten in Tokio.
In der späteren Folge hat sein dritter Sohn Gigo (Yoshitaka) Funakoshi diese Entwicklung weitergeführt. Hier gilt er als wichtige Figur bei der Entwicklung des bekannten modernen Karate. Des weiteren nahmen nach dem Tod von Funakoshi Gichin japanische Schüler ebenfalls Anpassungen vor, die das Karate wettkampffähig machten. Federführend zu nennen sind hier Nakayama Masatoshi, Nishiyama Hidetaka und später Kanazawa Hirokazu um einige zu nenen. Zwar war das JKA Karate nicht die einzige Weiterführung des Shotokan, aber es war definitiv der Zweig, der die Entwicklung des Karate in Deutschland federführend durch die Sendung von Meistern aus Japan nach Deutschland beeinflusst hat.
Vergleicht man nun alte Filmaufnahmen von Funakoshi Gichin mit dem heutigen Shotokan, wird man erstaunt sein, wie viele Entwicklungen im Laufe der Jahrzehnte dort eingeflossen sind.
Nagamine Shoshin hat bis ins hohe Alter in Okinawa gelebt und hat immer viel Wert darauf gelegt, dass die Kata die er erhalten hat, unverändert weitergegeben werden. Natürlich gibt es auch auf Okinawa einzelne Aspekte, welche von Lehrer zu Lehrer unterschiedlich ausgeführt werden, jedoch können wir uns glücklich schätzen heute noch auf mehrere seine direkten langjährigen Schüler lernen zu können.
Roland Habersetzer hat in seinem Buch Koshiki Kata (historische Kata) betont,
dass er die Kata des Matsubayashi Ryu für besonders nahe an den historischen Abläufen erhalten hält und deshalb die Abläufe der Matsubayashi Ryu Kata beschrieben. Nagamine Shoshin hat in seinem Buch "The Essence of Okinawan Karate Do" alle 18 Kata des Matsubayashi Ryu detailiert mit Bild beschrieben. Personen die an dem Buch mitgewirkt haben unterrichten noch heute exakt diese Kata.
Unterschiede
Stände
Der tiefe Stand, das Markenzeichen des Shotokan Karate, ist im Matsubayashi Ryu nicht zu finden. Im Shotokan dienen die tiefen Stände dem Training der Beinmuskulatur. Das ist eine der hervorragenden Eigenschaften des modernen Karate. Im Matsubayashi Ryu findet man hingegen natürliche Stände. Wenn man sich in einer Alltagssituation verteidigen müsste, würde es evtl. dann als Vorteil gereichen, diese Techniken schon in einer sehr natürlichen Ausgangshaltung geübt zu haben. Hinzu kommt, dass die Stände oft schmaler sind, um weniger Angriffsfläche zu bieten.
Anspannung
Shotokan zeichnet sich durch kraftvolle Techniken mit viel Anspannung aus. Matsubayashi Ryu ist da ein wenig anders, dies macht gerade Schülern, die vom Shotokan zum Matsubayashi wechseln Schwierigkeiten.
Die Techniken werden oft geschnappt wie eine Peitsche. Hier ist dann Entspannung der Schlüssel. Hierbei ist die natürliche Atmung des Matsubayashi Ryu ein Markenzeichen.
Waffentraining (Kobudo/Kobujutsu)
Wer Shotokan trainiert wird selten in die Situation kommen, dass er Kobudo als Teil seines Trainings kennen lernt. Im Matsubayashi Ryu ist die Arbeit mit Kobujutsu Waffen jedoch üblich. Bo (Stab) und Sai (Dreizack) besitzt meist jeder, in den meisten Vereinen stehen dann Tonfa (Holzgriff) und Kama (Sichel) zur Verfügung. Hin und wieder trainiert man mit dem Eku (Paddel).
Was noch?
Es gibt noch viele kleine Unterschiede aber auch Gemeinsamkeiten, die man im Laufe der Zeit findet. Wer sich für Matsubayashi Ryu interessiert, kann gerne auf die Dojo-Leiter oder Dokokai-Leiter zugehen. Die meisten sind gerne Bereit Vereine zu Besuchen und Matsubayashi Ryu vorzustellen. Durch das familiere und gastfreundliche Miteinander im Matsubayashi Ryu ist man immer mit Spaß und Freude dabei und bietet eine Alternative zum Ausprobieren und Kennenlernen.